Sich dem Leben hingeben

 "Der Weg der Hingabe bedeutet, daß wir Gott den Bildhauer und uns selbst den Ton sein lassen" (Marianne Williamson)

Sich dem Leben ganz hingeben. Sich selbst ganz geben? Ist das nicht zu viel verlangt? Und gebe ich mich dabei nicht selbst auf?

Ja, tatsächlich hat Hingabe mit Aufgeben zu tun. Wenn wir uns hingeben, geben wir unseren Widerstand auf. Unseren Widerstand gegen all das, was sich entgegen unseren Erwartungen und Wünschen entfalten will. Auch unseren „Schutz“ in Form von Masken und Verkleidungen müssen wir ablegen, denn nur so können wir „uns selbst“ hingeben, auch wenn uns das verletzlich macht. Dennoch: Hingabe bedeutet nicht, dass wir uns Selbst aufgeben. Im Gegenteil: Nur wahre Hingabe lässt unser wahres Selbst aufblühen. Denn gerade unser innerstes Selbst will sich dem Leben ganz hingeben. Aufgeben müssen wir nur unser Schein-Selbst, unser Ideal-Selbst (wie wir gerne wären oder, wie wir glauben, dass andere uns gerne hätten). 

Hingabe ist die Überantwortung der Seele an ein Leben im Einklang mit dem eigenen Inneren.

Dabei ist Hingabe eng mit Achtsamkeit verknüpft: Hingabe bedeutet, sich ganz dem gegenwärtigen Augenblick hinzugeben. Zum Beispiel, indem wir ganz in einer Tätigkeit aufgehen, wie es Mihály Csíkszentmihályi in seiner Flow-Theorie beschreibt. Doch, abseits von dieser Hingabe an das All-Tägliche, lässt sich Hingabe auch in einen größeren Sinnzusammenhang einordnen: In die Hingabe an das Leben an sich, als demutsvolles Eintauchen in den unaufhörlichen Fluss des Lebens. Oft hält uns davon nur eines ab: unsere Angst - wie es Hermann Hesse in „Klein und Wagner“ so eindringlich beschreibt:

„In Wirklichkeit gab es nur eines, vor dem man Angst hatte: das Sich-fallen-lassen, den Schritt in das Ungewisse hinaus, den kleinen Schritt hinweg über all die Versicherungen, die es gab. Und wer sich einmal, ein einziges Mal hingegeben hatte, wer einmal das große Vertrauen geübt und sich dem Schicksal anvertraut hatte, der war befreit. Er gehorchte nicht mehr den Erdgesetzen, er war in den Weltraum gefallen und schwang im Reigen der Gestirne mit.“